Side-Bike-Ära

M-G Nr. 136: Side-Bike-Ära

Als langjähriger Gespannfahrer – immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen – war ich lange Zeit mit Bikes über 1000 cm³ unterwegs. Immer nach dem Motto „Die Leistung kann nicht hoch genug sein“ waren meine Zugmaschinen Suzuki VL1500, BMW R1100RS,Kawasaki ZRX1200S oder Suzuki GSX 1400. Dabei waren von originalen Telegabeln (VL) über Schwinge (BMW und GSX) bis hin zur ASL (ZRX) alles dabei.So unterschiedlich wie die Fahrzeuge war natürlich auch das jeweilige Fahrverhalten. Wirklich begeistern konnte mich aber kein Konzept – zumindest nicht sehr lange. Schon seit den 90er Jahren wollte auch ich immer mal ein Side-Bike-Gespann fahren. Mir gefiel schon damals der Comanche-Seitenwagen.


Als ich
dann konkret suchte, wurden leider nur FJ-Modelle mit sehr hoher Laufleistung und miserablem Zustand angeboten – zu lange gewartet, dachte ich mir. Doch dann entdeckte ich eines Tages eine XJ 900 mit Comanche – ein Sonderumbau von Uli Jacken. Dieses Fahrzeug fahre ichnun seit einigen Monaten und bin wieder voll „gespannbegeistert“.

Vom Stand weg schiebt der Vierzylindernach vorne. Die Gänge lassen sich da-bei präzise und knackig schalten. Die XJhat im Zwei-Personen-Betrieb genügend Reserven, wirkt auch keinesfalls zu laut oder fällt durch starke Vibrationen auf.

Mit der XJ kann man gemütlich cruisen aber auch schon mal schneller um die Ecken düsen. Dabei fühlt sie sich auf schnellen Landstraßen am wohlsten. DasFahrverhalten kann als äußerst agil und handlich bezeichnet werden – liegt wohl am geringeren Gewicht des Gespannes im Vergleich zu meinen Vorgängermodellen. Das Einlenken in schnelle oder auchenge Kurven erfolgt ungemein leicht undpräzise, weil die Vorderradführung ein enorm gutes Feedback des vorderen Reifens vermittelt. Eine Spurrillenempfindlichkeit ist kaum zu merken, was wohl an der eher schmalen Bereifung von 155-165-155 (vorne-hinten-Seite) liegt.


Durch die große Spurbreite und den tiefenSchwerpunkt setzt die Steigneigung des Bootes in Rechtskurven nur bei relativ ho-her Geschwindigkeit ein – mit einer Person im Boot und „normaler“ Fahrweise imPrinzip gar nicht. Ein Steigen des Bootes muss dann provoziert werden.
Mir ist es absolut unverständlich, warumdieses Konzept nicht auch von anderen Herstellern verfolgt wurde. Ich persönlich finde es sehr schade, dass dieser innovative Gespannhersteller nicht mehrproduziert. Seine Technik begeistert mich und meinen Beifahrer auch heute noch. Bin froh, solch eine Rarität bewegen zu dürfen. Bei jedem Stopp sind wir schnell von Schaulustigen umlagert mit den Worten: Darf ich ein Foto von dem Fahrzeug machen?

Manfred Busch